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Ein Interview mit Deutsch-Französisch-Übersetzerin Aurélie Fagot

Was braucht man, um eine professionelle Deutsch-Französisch-Übersetzerin zu werden? Genau das haben wir Aurélie Fagot gefragt, die ihren Abschluss an der ESTRI, École Supérieure de Traduction et de Relations Internationales (Hochschule für Übersetzung und internationale Beziehungen) in Lyon, Frankreich, gemacht hat.

In diesem Monat feiert sie ihr 10-jähriges Jubiläum als Übersetzerin – und wir wollten uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit ihr auf die Anfänge ihrer Karriere zurückzublicken. 

Aurélie, du bist eine zertifizierte Übersetzerin für die Sprachkombination Deutsch-Französisch. Was hat dich dazu bewogen, Übersetzerin zu werden?

Es war alles ein Zufall. Als ich am Gymnasium war, hatte ich bereits mehrere Jahre lang Englisch, Deutsch und Spanisch gelernt und wollte diese Sprachen in meiner beruflichen Laufbahn anwenden, aber ich wollte nicht Lehrerin werden. Während meines letzten Jahres beinhalteten die meisten meiner Englischprüfungen ein gewisses Mass an Übersetzungsarbeit, und da wusste ich, dass ich den perfekten Job für meine Fähigkeiten gefunden hatte: Er erforderte gute Englischkenntnisse und muttersprachliche Kenntnisse in Französisch, insbesondere in Bezug auf Grammatik und Begrifflichkeiten.

Ich beschloss dann, an der ESTRI eine Hochschule für Übersetzung und internationale Beziehungen in Lyon, Frankreich, zu besuchen, und habe nie wieder zurückgeschaut! Als französische Muttersprachlerin haben mir die verschiedenen Praktika, die ich während meines 5-jährigen Studiums absolviert habe, sehr gefallen: Ich habe acht Monate in England, sieben Monate in Deutschland und drei Monate in Spanien verbracht, bevor ich anfing, als freiberufliche Übersetzerin zu arbeiten. Im September 2023 feiere ich mein 10-jähriges Jubiläum als professionelle Übersetzerin.

Wie sieht für dich ein normaler Arbeitstag als Übersetzerin aus?

Normalerweise sitze ich zwischen 8:00 und 8:30 Uhr an meinem Schreibtisch und prüfe meine E-Mails. Dann beginne ich mit der «produktiven» Arbeit. Der Grossteil meiner Arbeit besteht in der Regel aus Übersetzungen und Korrekturlesungen. Als freiberufliche Übersetzerin nehme ich mir auch einen Nachmittag im Monat Zeit, um mich um administrative Aufgaben und die Rechnungsstellung zu kümmern. Ich sorge dafür, dass ich den ganzen Tag über für meine Kunden erreichbar bin, um ihre Übersetzungsanfragen zu beantworten, während ich gleichzeitig sicherstelle, dass ich mit meinen laufenden Projekten im Zeitplan bleibe. Normalerweise mache ich zwischen 17:00 und 18:00 Uhr Feierabend.

Welche sprachlichen Besonderheiten gibt es bei einer Übersetzung vom Deutschen ins Französische? Welche besonderen Merkmale weisen diese beiden Sprachen auf?

Im Deutschen werden häufig Substantive zusammengesetzt, um ein ganz neues (und ziemlich langes) Wort zu bilden. Diese Wörter haben im Französischen oft eine ganz bestimmte Übersetzung. Zum Beispiel könnte «Korngrösse» wörtlich mit «taille de grain» (Korngrösse) übersetzt werden, aber in einem fachspezifischeren Kontext müsste es mit «granulométrie» (Granulometrie) übersetzt werden. «Taille de grain» ist nicht per se eine falsche Übersetzung, denn sie ist leicht verständlich und könnte nützlich sein, um einen Text für Laien leichter zugänglich zu machen. Ein professioneller Übersetzer muss jedoch immer prüfen, ob ein bestimmtes Wort für einen bestimmten Begriff bereits existiert, und sicherstellen, dass der Kontext die Verwendung dieses Begriffs zulässt.

Auch die Übersetzung vom Deutschen ins Französische kann aufgrund der unterschiedlichen Syntax eine Herausforderung darstellen. Bei der Suche nach Begriffen, die sich innerhalb eines Satzes aufeinander beziehen, kann man sich im Deutschen leicht «verirren» – z. B. bei der Suche nach einem Verb – und bei der Neuordnung im Französischen ist manchmal mentale Gymnastik gefragt. Das Französische bevorzugt kürzere und direktere Sätze. Aufmerksam und kreativ zu sein ist ein Muss, um keine Details zu verpassen.

Wie stehst du als professionelle Übersetzerin zu künstlicher Intelligenz (KI) und maschineller Übersetzung (MÜ)? 

Es ist normal, dass sich Arbeitsplätze weiterentwickeln, insbesondere wenn digitale Tools und technologischer Fortschritt ins Spiel kommen. Seit Beginn meines Studiums habe ich von diesen neuen Technologien gehört, und ich mache oft Post-Editings von Texten, d. h. ich überarbeite Texte, nachdem sie mit einer maschinellen Übersetzungsmaschine vorübersetzt wurden. Ich möchte hervorheben: bereits damals hiess es, dass uns diese Technologien im Handumdrehen überholen werden. Das war vor zehn Jahren, und obwohl das Post-Editing inzwischen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist, wurden Übersetzer nicht durch Maschinen ersetzt. Im Gegensatz zu den anfänglichen Vorhersagen ist eine maschinelle Übersetzung alleine nur in seltenen Fällen von Nutzen, etwa wenn es darum geht, den Inhalt eines informellen Dokuments allgemein zu verstehen. Für professionelle Fachübersetzungen ist sie nach wie vor nicht geeignet. Einige meiner Kunden haben ihre eigenen Engines entwickelt, die für bestimmte Arten von Dokumenten, wie z. B. Bedienungsanleitungen, ziemlich gute Ergebnisse liefern können. Dennoch versuche ich, die Vor- und Nachteile dieser Technologien kritisch zu betrachten. Ich bleibe der falschen Sicherheit gebenüber skeptisch, die sie mit sich bringen können: Ein vorübersetzter Satz kann oberflächlich betrachtet grammatikalisch und syntaktisch korrekt erscheinen, aber völlig fehl am Platz sein, wenn man ihn in den Kontext zurücksetzt. Der Kontext ist bis heute etwas, das nur ein menschlicher Übersetzer richtig verstehen kann.

Welchen Rat würdest du einem jungen Übersetzer geben, der in der Sprachbranche anfängt?

Denke daran, unternehmerisch zu denken! Ein Übersetzer muss nicht nur Spass an der Arbeit mit Sprachen haben, sondern auch über Geschäftssinn verfügen, um seine Arbeit zu vermarkten und einen Kundenstamm aufzubauen. Das hört auch nicht auf, sobald man mehrere Stammkunden hat: man braucht diese Fähigkeiten auch in Zukunft, um das Unternehmen wachsen zu lassen, Preise zu aktualisieren, Fähigkeiten zu verbessern und so weiter. Hätte man mir gesagt, dass ich ein Unternehmen leiten werde, hätte ich wahrscheinlich länger darüber nachgedacht, ob ich diese Laufbahn wähle. Ich bereue es überhaupt nicht, aber ich hätte wahrscheinlich etwas mehr an meinen Marketing-Fähigkeiten gearbeitet, um an Selbstvertrauen zu gewinnen. Mein Rat wäre also: Sei nicht schüchtern! Wenn du gute Arbeit leistest, verdienst du auch eine entsprechende Bezahlung!

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, als fest angestellter Übersetzer für ein Unternehmen zu arbeiten, wenn dir die Selbstständigkeit nicht zusagt. In diesem Fall arbeitest du als Angestellter mit einem regelmässigen Einkommen, aber die Projekte, die du übersetzt, sind möglicherweise nicht so vielfältig, da du nur für deinen Arbeitgeber tätig bist.

Einige Übersetzer arbeiten auch in einer Mischform: einerseits gehen sie einer Teilzeitbeschäftigung nach, andererseits bleiben sie noch ein wenig freiberuflich tätig.

Ein grosser Vorteil des Übersetzerberufs ist, dass er definitiv viele verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Du kannst sogar aus der Ferne arbeiten, wenn du das möchtest.