Die Geschichte einer Übersetzerin: Vergangenheit / Gegenwart / Zukunft
Manche werden zu Übersetzern, weil sie ein angeborenes Sprachtalent haben oder sich für Sprachen begeistern. Andere nehmen einen etwas mühevolleren Weg, kommen aber zum gleichen Ziel. Warum habe ich mich für den Beruf der Übersetzerin entschieden? Was gefällt mir an diesem Beruf? Und ist es an der Zeit, den Beruf aufzugeben?
Warum Übersetzung?
Es kommt selten vor, dass Kinder mit Begeisterung sagen, dass sie später einmal Übersetzerin oder Übersetzer werden wollen. Und bei mir war es nicht anders.
Das Aufwachsen in verschiedenen Teilen der Welt macht Menschen jedoch zwangsläufig zu Übersetzern. Durch diese Umstände wurde ich zunächst zweisprachig, und später, weil ich immer neugierig auf andere Kulturen und ihre Ausdrucksformen bin, habe ich mich für Sprachen als Studienfach interessiert. Während meines Studiums kam ich mit dem Berufsfeld des Übersetzens in Kontakt. Ich entwickelte eine Begeisterung dafür und entschied mich für eine berufliche Laufbahn in dieser Branche.
Was gefällt mir am Übersetzen?
Es sind vor allem drei Aspekte, die mich fesseln:
1) Wortwahl
Als Studentin war ich besonders fasziniert davon, wie sich die Bedeutung eines lateinischen Wortes in den romanischen Sprachen (Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch und Spanisch), die von dieser alten Sprache abstammen, verändert.
Ein und dasselbe Wort kann in einer Sprache informell geworden sein, während es sich in einer anderen Sprache anders entwickelt hat, wo es in einem sehr formellen Kontext verwendet wird. Beim Übersetzen ist es wichtig, diese Fälle korrekt zu unterscheiden, damit beim Lesen des übersetzten Textes keine Unklarheit oder Entfremdung entsteht.
2) Kulturelle Wertschätzung
Ein weiterer faszinierender Aspekt des Übersetzens ist, wie sich die Denkweise einer Kultur an den Worten ablesen lässt, mit denen die Menschen die Welt um sie herum beschreiben. In diesem Fall kommt mir ein chinesisches Sprichwort in den Sinn: «Eine Sprache zu lernen bedeutet, ein neues Fenster zu öffnen, durch das man die Welt betrachten kann».
Als Übersetzerin muss ich fähig sein, das wiederzugeben, was man durch dieses Fenster sieht und es anderen zu vermitteln, die es nicht sehen können.
3) Unübersetzbarkeit
Das Konzept der unübersetzbaren Wörter, mit dem sich viele Wissenschaftler und Autoren befasst haben, hat mich schon immer fasziniert. Gute Übersetzerinnen und Übersetzer müssen jedoch immer in der Lage sein, den Sinn eines Textes zu vermitteln, auch wenn ein einzelnes Wort Schwierigkeiten bereitet.
Ist es an der Zeit, den Beruf des Übersetzens aufzugeben oder den Beruf zu wechseln?
Als sich die Technologie weiterentwickelte und Übersetzungen für die meisten Menschen leichter zugänglich wurden, waren viele schnell dabei (und manche sind es noch immer), das Ende des Berufs zu verkünden. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, dass dies nicht eintrat. Nicht anders verhält es sich mit der Entwicklung und Verbreitung von künstlicher Intelligenz (KI), deren Übersetzungspotenzial diese Schlussfolgerung bekräftigt.
Obwohl sich Google Translate, DeepL, ChatGPT und andere seit ihrer Einführung weiterentwickelt haben und leistungsstarke Tools sind, können sie nicht mit den sprachlichen Fähigkeiten eines menschlichen Übersetzers mithalten, insbesondere nicht in Bezug auf Kontextanalyse, Humor und Wortspiele.
Bei der KI geht es auch um Fragen der Sicherheit und Vertraulichkeit, denn alles, was wir als «freie» Nutzer in diese Tools eingeben, ist für Dritte leicht zugänglich. Darüber hinaus gibt es potenzielle Unstimmigkeiten und Tendenzen aufgrund der Materialien, die zum Trainieren der KI verwendet werden, da hierdurch falsche Informationen aus dem Internet verbreitet und Stereotypen aufrechterhalten werden können. Beim Übersetzen ist das menschliche Auge für die Überprüfung des Textes und seiner Nuancen unerlässlich.
Das soll nicht heissen, dass KI als Übersetzungswerkzeug nur negative Auswirkungen hat. Bei richtiger Anwendung durch entsprechend geschulte Personen, d. h. Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Menschen aus ähnlichen Fachrichtungen, kann sie den Prozess erleichtern und die Produktivität steigern. Weder Menschen noch Maschinen allein sind perfekt, und dort, wo menschliche Übersetzer und Technologie aufeinandertreffen, gibt es einen fruchtbaren Boden mit viel Potenzial.
Einfach ausgedrückt: Wir als Übersetzerinnen und Übersetzer müssen uns anpassen. Unser Beruf endet nicht, wie die Pessimisten sagen, sondern er verändert sich.
Das ist das Schöne an dem Beruf ─ wann hat er sich denn nicht verändert? Von Stift und Papier über Schreibmaschinen bis hin zu Computern in verschiedenen Ausführungen mussten Übersetzer immer mit der Zeit gehen, insbesondere was die Technologie betrifft.
Wir werden uns auch mit den Algorithmen befassen müssen, und einige von uns sind in dieser Hinsicht der Zeit voraus. Diejenigen, die noch nicht über diesbezügliche Kompetenzen verfügen, müssen sich diese noch aneignen, insbesondere in den Bereichen Informatik, Programmierung, Datenanalyse und Computerlinguistik. Solange es mehr als eine Sprache auf der Welt gibt, werden Übersetzerinnen und Übersetzer gebraucht. Meiner Meinung nach haben wir also eine gute Zukunft. Zusammenarbeit statt Substitution ist in der Übersetzungsbranche der Weg in die Zukunft. Zusammenarbeit ist notwendig zwischen den Herstellern neuer oder etablierter KI-Tools, Übersetzern und Sprachdienstleistern wie SwissGlobal, die diese Tools sicher in den Übersetzungsprozess integrieren können, um sicherzustellen, dass vertrauliche Informationen nicht online verbreitet werden.